Orgel

Orgel

Die Hauptorgel der Pfarrkirche Allerheiligen, Frankfurt am Main, wurde 1955 von der Friedrich Euler Orgelbauanstalt in Hofgeismar erbaut. Das Instrument verfügt über 26 Register aus 40 Pfeifenreihen, die sich auf Ober-, Haupt- und Pedalwerk sowie Positiv verteilen. Angesteuert werden die 1.976 Pfeifen, die sich in der Orgelempore vorne rechts in der Kirche über der Sakristei befinden, von einem Fernspieltisch, der gegenüber des Pfeifenwerkes in der Chorempore über der Taufkapelle steht. Sichtbar im Prospekt sind in den beiden äußeren Pfeilerzwischenräumen Prinzipal-Pfeifen des Hauptwerks. In den beiden mittleren Zwischenräumen steht ein Auszug der Trompete . Die restlichen Pfeifen des Hauptwerks sowie das Pedalwerk befinden sich hinter gelben Backsteinen. Die Orgel zählt zu den wenigen noch bespielbaren Instrumenten der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts und ist deswegen eine Besonderheit. Bemerkenswert ist die Verteilung der relativ wenigen Register auf drei Manualwerke sowie ein Pedalwerk, was zu einer sehr hohen Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten für den Organisten führt.

Die Disposition der Orgel lässt den Zeitgeist der sogenannten Orgelbewegung erkennen: Ab Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts wendete man sich von den symphonischen Instrumenten insbesondere der Hochromantik ab. Die nun geforderten Instrumente sollten wieder wie (früh-) barocke Instrumente klingen. Diese Erwartung der Vorkriegszeit und die Material-Armut der Nachkriegszeit führten zu Orgeln mit sparsamen, aber trotzdem kräftigen Dispositionen. Das Nicht-Vorhandensein von preiswerten und gleichzeitig qualitativ guten Materialien wird an der Haupt-Orgel der Pfarrkirche deutlich: Nur 84 der fast 2.000 Pfeifen der Orgel sind aus Holz, lediglich Subbaß und Prinzipalbaß im Pedalwerk sowie die tiefen Oktaven des Holzgedackt im Oberwerk und Nachthorngedackt im Positiv. Die restlichen 1.892 Pfeifen sind nicht aus Holz! Dies ist darauf zurückzuführen, dass Holz, welches zum Pfeifenbau benutzt wird, in etwa 20 Jahre gelagert werden muss, bevor es den notwendigen ruhenden Zustand zur Verarbeitung erreicht. Eine konstante Einlagerung hätte also spätestens 1935 erfolgen müssen. Erstaunlicherweise sind aber bei den Nicht-Holz-Pfeifen im Gegensatz zu anderen dieser Zeit entstammenden Instrumenten keine Ermüdungserscheinungen aufgetreten. Lediglich die Prospektpfeifen beugen sich aufgrund von zu niedrigen Rastern (Pfeifenhalterungen). Jedoch sind die Materialien an sich in einem guten Zustand: Die Pfeifen lösen sich nicht auf, was bei Instrumenten dieser Epoche häufig anzutreffen ist. Diese überraschend höherwertige Qualität führte dazu, dass das Instrument in den 1990er Jahren auf Veranlassung des damaligen Organisten Andreas Walke nach der Kirchenrenovierung repariert und wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde (u.a. Rekonstruktion des Prinzipal im Oberwerk). Somit verfügt die Pfarrgemeinde heute über ein besonderes Instrument, das aufgrund der Quantität der imitierten barocken Register eine dem damaligen Zeitgeist entsprechende Interpretation von barocker Literatur sowie aufgrund der Größe eine qualitative Interpretation von Literatur der Nachkriegszeit und Moderne zulässt (5 Mixturen/ Aliquoten und 5 Zungenregister). Für eine authentische Darstellung von romantischer Orgelmusik ermangelt es der erforderten dezenten Klangfarben. Dies kann jedoch annähernd durch den extremen Hall der Kirche von in etwa 10 Sekunden geheilt werden bei Benutzung der passenden Register im super- oder suboktavierten Bereich. Besonders ist an dem Instrument ebenfalls die aufgeteilte Zungenbatterie mit der jubilierenden Trompete im Hauptwerk, der majestätischen Posaune im Pedalwerk, der warmen, aber bestimmten Schalmey im Oberwerk, die im Gegensatz zu dem leisen näselnden Rankett sowie dem dezenten, aber trompetenartigen Krummhornregal des Positivs stehen.

 

 

Text: Weite Passagen entnommen aus dem Manuskript von Ulrike Schubert M. A., Vortrag zur Allerheiligenkirche am 24.02.2007.


Nähere Informationen zum Projekt "Eine zeitgenössische Orgel für Frankfurt"

 

 


 

Disposition der Euler-Orgel von 1955

 

III. Manual Oberwerk C-g³

Holzgedackt 8'
Spitzflöte 4'
Prinzipal 2'
Sifflöte 1'
Sesquialtera 2f
Scharff 4f 1'
Rankett 16'
Schalmey 4'

 

I. Manual Positiv C-g³

Nachthorngedackt 8'
Gemshorn 4'
Waldflöte 2'
Quintzimbel 3f 1 1/3'
Krummhornregal 8'

 

Spielhilfen

2 ergänzende Freie Kombinationen (FK1 & FK2)
´Handregistrierung (HR) ab' in HR, FK1 und FK2
Unabhängige Einzelzungenabsteller
Tremulant III Oberwerk
Tremulant I Positiv
Feste Kombination ´Tutti´ als Drücker
Drücker und Tritte für FK1 und FK2

Kombinations-unabhängige Pedalkoppeln als Fußrasten

Registratur Oberwerk und Positiv mit Freien Kombinationen (rot und weiß)

Winddrossel

 

II. Manual Hauptwerk C-g³

Quintade 16'
Prinzipal 8'
Rohrflöte 8'
Oktave 4'
Gedackt 4'
Blockflöte 2'
Mixtur 4-6f 2'
Trompete 8'

 

Pedalwerk C-f ¹

Subbaß 16'
Prinzipalbaß 8'
Choralbaß 4'
Rauschpfeife 4f 2 2/3'
Posaune 16'

 

Koppeln

III / II
III / I
I / II
Pedalkoppel I
Pedalkoppel II
Pedalkoppel III
Elektrisch-pneumatische Traktur